Die neue Maschinenverordnung - wichtige Änderungen und einige Fragen

von Mette Lilienthal am 24. April 2024

Ab Januar 2027 gilt die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230. Sie ersetzt die bisherige Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Die Maschinenverordnung ist eine unmittelbar geltende EU-Verordnung. Das heißt, sie ist in allen EU-Mitgliedsländern ohne nationale Umsetzungsgesetze anwendbar.

Einige Teile der neuen Maschinenverordnung werden zu relevanten und vielleicht sogar spannenden Änderungen in der Praxis führen. In diesem Blogbeitrag diskutiere ich diese Änderungen und ihre Auswirkungen auf die Technische Dokumentation.

Einige Änderungen betreffen die Struktur der Verordnung, andere den Inhalt. So wurden z.B. relevante Begriffe wie "Inverkehrbringen" definiert bzw. präzisiert. Darüber hinaus führt die neue Maschinenverordnung neue Themen ein, von denen Künstliche Intelligenz, (Cyber-)Sicherheit und Änderungen des Dokumentationsformats die interessantesten sind.

Die neue Maschinenverordnung gilt ab 2027. © gorodenkoff | 123rf.com​​​​​

Künstliche Intelligenz

Die Maschinenverordnung definiert Maschinen mit Künstlicher Intelligenz als "Maschinen, die über eingebettete Systeme mit vollständig oder teilweise selbstentwickelndem Verhalten unter Verwendung von Ansätzen des maschinellen Lernens verfügen, die Sicherheitsfunktionen gewährleisten, die nicht gesondert in Verkehr gebracht wurden, nur in Bezug auf diese Systeme." Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) als solcher wird nicht verwendet. Die Erwähnung eines solchen sich selbst entwickelnden Verhaltens ist jedoch ein Schritt in Richtung einer zukunftssicheren Gesetzgebung. parsons Whitepaper über den Einsatz von KI in der technischen Kommunikation enthält weitere Informationen über die europäische KI-Gesetzgebung.

Gemäß der Verordnung dürfen "Steuerungssysteme für Maschinen oder dazugehörige Produkte ... nicht dazu führen, dass Maschinen oder dazugehörige Produkte Handlungen ausführen, die über ihre festgelegte Aufgabe und ihren festgelegten Bewegungsbereich hinausgehen."

Außerdem muss es "jederzeit möglich [sein], die Maschine oder das dazugehörige Produkt zu korrigieren, um seine inhärente Sicherheit zu wahren." Das bedeutet, dass der Einsatz von KI für/in Maschinen zwar erlaubt ist, diese aber nicht unkontrollierbar werden dürfen.

Dokumentationspflichten gemäß Maschinenverordnung

Wie bisher müssen Betriebsanleitungen und Sicherheitsinformationen "für die Nutzer [in] leicht verständlichen Sprache abgefasst und müssen klar, verständlich und lesbar sein". Interessanter für technische Redakteur:innen sind die Dokumentationspflichten der neuen Maschinenverordnung. In den Artikeln 10 und 13 sind die meisten Pflichten aufgeführt, darunter die allgemeine Pflicht, technische Unterlagen und Betriebsanleitungen für Maschinen zur Verfügung zu stellen. In Anhang IV ist aufgeführt, was die Dokumentation enthalten muss.

Viele Aspekte sind nicht neu, etwa die vollständige Beschreibung der Maschine und ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung, aber es gibt einige neue Punkte, die für Aufregung sorgen könnten. So schreibt die Verordnung beispielsweise vor, dass die Dokumentation "den Quellcode oder die Programmierlogik der Schaltung der sicherheitsrelevanten Software zum Nachweis der Konformität der Maschine oder des dazugehörigen Produkts [...]" sowie Sensordaten enthalten muss.

Digitale Auslieferung möglich

Die vielleicht größte Veränderung für unseren Berufsstand bringt Artikel 10: Hier heißt es: "Die Betriebsanleitung kann in digitaler Form bereitgestellt werden [...]." Die digitale Auslieferung ist neu, bislang musste Maschinendokumentation immer in gedruckter Form geliefert werden.

Allerdings ist "digitale Form" ein weit gefasster Begriff: Es wird nicht unterschieden zwischen einer einfachen PDF-Datei und der Bereitstellung personalisierter Inhalte. Für das digitale Format gelten zusätzliche Bedingungen. Die Bedingungen für die digitale Dokumentation sind in Artikel 10 Absatz 7 festgelegt. Der Hersteller muss:

"a) auf der Maschine oder dem dazugehörigen Produkt oder, falls dies nicht möglich ist, auf ihrer Verpackung oder in einem Begleitdokument angeben, wie auf die digitalen Betriebsanleitungen zugegriffen werden kann;

b) diese in einem Format bereitstellen, das es dem Nutzer ermöglicht, die Betriebsanleitung auszudrucken, herunterzuladen und auf einem elektronischen Gerät zu speichern, sodass er jederzeit, insbesondere bei einem Ausfall der Maschine oder des dazugehörigen Produkts, darauf zugreifen kann; diese Anforderung gilt auch, wenn die Betriebsanleitung in die Software der Maschine oder des zugehörigen Produkts eingebettet ist;

c) sie während der voraussichtlichen Lebensdauer der Maschine oder des dazugehörigen Produkts und mindestens zehn Jahre lang nach dem Inverkehrbringen der Maschine oder des dazugehörigen Produkts online zugänglich machen."

Weiterhin muss das Produktmodell in der Betriebsanleitung und den Informationen, dem sie entsprechen, klar beschrieben werden. Das heißt, dass die Anleitung dem spezifischen Modell entsprechen muss.

Eine Ausnahme von der rein digitalen Lieferung gibt es: Die sicherheitsrelevanten Informationen für Maschinen und dazugehörigen Produkte, die für nichtprofessionelle Nutzer:innen, d.h. Verbraucher:innen, bestimmt sind oder in die Hände von nichtprofessionellen Nutzer:innen gelangen können, müssen in Papierform vorliegen.

Laut der Maschinenverordnung ist die digitale Auslieferung von Technischer Dokumentation möglich

Offene Fragen/Herausforderungen im Zusammenhang mit der Maschinenrichtlinie

  • Kennzeichnung des Zugangs zu digitalen Anleitungen und deren Aufbewahrung für die voraussichtliche Lebensdauer der Maschine, mindestens jedoch 10 Jahre: Wenn die Informationen online zur Verfügung gestellt werden, darf der Zugangspunkt (URL) für die nächsten 10 Jahre nicht geändert werden.
  • Inwieweit ist der Hersteller für die Sicherheit des Online-Zugangs verantwortlich? Muss er für Virenschutz etc. sorgen?
  • Wenn die digitalen Anleitungen zugänglich sein müssen, kann die Bereitstellung der Inhalte personalisiert werden? Ist es möglich, den Zugang zu einem Portal für die Bereitstellung von Inhalten zu beschränken?
  • Wie wird die Lebensdauer einer Maschine berechnet, gibt es dazu gesetzliche Vorgaben?
  • Die Dokumentation muss ausgedruckt und heruntergeladen werden können. Das schließt Videos als eigenständige Dokumentation aus. Aber was bedeutet "druckbar" – muss es weiterhin Dokumente geben oder reicht es, wenn einzelne Themen der Dokumentation gedruckt werden können?
  • "Auf Verlangen des Nutzers zum Zeitpunkt des Kaufs stellt der Hersteller die Gebrauchsanleitung innerhalb eines Monats kostenlos in Papierform zur Verfügung." Was ist der Zeitpunkt des Kaufs: Kaufdatum, Lieferdatum, Datum der Inbetriebnahme? Welcher Zeitrahmen gilt für die Lieferung der Dokumentation bei Sondermaschinen?

Auswirkungen auf die Technische Kommunikation

Dies sind die wichtigsten Konsequenzen für die Technische Kommunikation:

  • Die digitale Auslieferung von Dokumenten wird möglich. Sicherheitsrelevante Informationen für nichtprofessionelle Zielgruppen müssen weiter gedruckt werden. Damit werden Zielgruppenanalysen für Hersteller wichtiger. Nur so kann entschieden werden, ob und welche Informationen zusätzlich zur digitalen Version in Papierform geliefert werden müssen.
  • Digitale Lieferformate müssen druck- und herunterladbar sein. Das PDF-Format wird damit weiter relevant als Lieferformat bleiben, da es beide Anforderungen erfüllt. Videos werden Dokumente nicht ersetzen.
  • Online-Formate müssen für die voraussichtliche Lebensdauer der Maschine oder des zugehörigen Produkts verfügbar sein, mindestens jedoch 10 Jahre. Dokumentations- und Kundenportale, die das Aufrufen und Herunterladen von Technischer Dokumentation ermöglichen, müssen daher über einen langen Zeitraum stabil und verfügbar sein.
  • Gedruckte Dokumentation für ein bestelltes Maschinenmodell muss auf Anfrage des Kunden innerhalb eines Monats kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Es muss daher möglich sein, die passende Dokumentation für eine Kundenbestellung zusammenzustellen und auszuliefern. Um das zu ermöglichen, ist ein Abschied von dokumenten- oder kapitelbasierter Dokumentation notwendig. Kleinere Dokumentationsbausteine (Topics), die mit Metadaten ausgestattet sind, ermöglichen die flexible Zusammenstellung von bestellgerechter Dokumentation.
  • Die Dokumentation umfasst nicht nur die Betriebsanleitung, sondern auch Quellcode, Sensordaten, Prüfergebnisse, ... (Anforderungen in Anhang III und IV).

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