Ein Schuh ist ein Schuh ist ein Schuh. Aber Schleife ist nicht gleich Schleife

von Marion Knebel am 22. Juli 2019

Ich bin ungeschickt und zwar nicht nur ein bisschen. Das können Ihnen meine Kollegen bestätigen. Da verwundert es nicht, dass ich seit meiner Kindheit nicht in der Lage war, die Schleifen an meinen Schuhen so zu binden, dass diese nicht nach kurzer Zeit wieder aufgingen.

Lange Jahre habe ich Leute ignoriert, die mich freundlich auf meine offenen Schnürsenkel hinwiesen (wozu binden, wenn sie eh wieder aufgehen). Und wenn Sie sich jetzt fragen, was das alles mit Technischer Doku zu tun hat – ich komme da hin, bleiben Sie noch ein bisschen bei mir.

Irgendwann stellte ich fest, dass auch meine Geschwister keine Schleifen binden können. Langsam drängte sich mir der Verdacht auf, es könnte etwas damit zu tun haben, wie wir das Schleifebinden gelernt haben.

Exkurs im Exkurs: kleine Knotenkunde

Falls Sie mal bei den Pfadfindern waren oder etwas mit Booten zu tun haben, dann wissen Sie, dass es alle möglichen Knotenarten gibt. Eine Schleife ist nichts anderes als ein Doppelknoten, nur dass beim zweiten Halbknoten die Enden nicht vollständig durchgezogen werden.

Da liegt nun der Hund in der Pfanne begraben (sic). Bindet man die beiden Halbknoten richtig aufeinander, entsteht ein Kreuzknoten. Dieser hat laut Wikipedia eine mittlere Festigkeit und ist super für Schleifen geeignet. Macht man es falsch, bekommt man einen Altweiberknoten, und dieser hat das große Talent, immer wieder aufzugehen.

Stilisiert sehen beiden Knoten so aus:

Altweiberknoten (links) und Kreuzknoten stilisiert

Sie erkennen den Unterschied? (Achten Sie auf die Kreuzungen in der Mitte.) Beim Altweiberknoten links ist einmal die rote Schnur oben, das andere Mal die blaue. Der Kreuzknoten rechts sieht schön symmetrisch aus. Hier noch mal in echt:


So klappt es mit den Schleifen

Im Grunde ist es einfach: Sie binden erst einen Halbknoten, dabei führen sie den linken über den rechten Schnürsenkel. Beim zweiten Knoten machen Sie es genau umgekehrt. Sie formen mit dem rechten Schnürsenkel ein Hasenohr, legen den linken Schnürsenkel einmal von hinten (Richtung Schuhspitze) um das Hasenohr herum und ziehen ihn dann als Schleife durch das entstandene Loch. Probieren Sie es einfach mal aus!

Das Ergebnis ist eine Schleife auf Basis eines Kreuzknotens:

Ich kann ihnen sagen, es ist ganz schön schwer, einen Bewegungsablauf zu verändern, den man schon seit Jahrzehnten in genau der gleichen Weise völlig ohne nachzudenken ausführt. Es hat etwa vier Monate gedauert, bis ich den zweiten Knoten andersherum binden konnte, ohne mich mit aller Kraft darauf zu konzentrieren. Die gute Nachricht: Es hat sich gelohnt, meine Schleifen gehen nicht mehr auf. Weniger ungeschickt bin ich deshalb aber nicht geworden.

Disclaimer: Natürlich gibt es noch weitere Methoden, eine Schleife zu binden, z.B. die Hasenohrenmethode. Diese sind bestimmt ähnlich erfolgversprechend, aber noch mal tu ich mir das nicht an.

Was hat das jetzt mit Technischer Doku zu tun?

Direkt wenig, indirekt einiges.

Erstens hat es etwas damit zu tun, dass wir Experten für Kommunikation sind und wir in unserem Beruf danach streben, die Benutzer unserer Dokumentation optimal bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Dazu ist es oft notwendig, ausgetretene Denkmuster zu verlassen und auch mal quer zu denken.

Zweitens zeigt das Beispiel sehr schön, dass eine bestimmte Methode nicht allein deshalb gut ist, weil man es a) schon immer so gemacht hat und b) alle anderen es auch so machen. Natürlich fällt das Schleifebinden hier in die Kategorie der weniger aufwändigen Probleme, aber es ist ja auch Sommer - Zeit für leichte Kost.

Drittens haben Sie das Problem mit den Schleifen ja vielleicht auch und ich konnte dazu beitragen, dass Sie diese Aufgabe in Zukunft mit weniger Frust bewältigen. Denn darum geht es ja. Oder Sie kaufen sich nur noch Schuhe mit Klettverschluss.

PS: Die Wikipedia und YouTube sind mir lange zuvorgekommen. Dort ist hinreichend bekannt, dass der Altweiberknoten für Schleifen ungeeignet ist. Es lebe das Informationszeitalter. Hier noch ein Video zum Üben.

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