Vom Dokument zur Datenwelt. Wie Digitalisierung und KI das Berufsbild Technischer Redakteur:innen verändern

von Uta Lange , Ulrike Parson am 02. September 2025

Noch vor wenigen Jahren war die Arbeit Technischer Redakteur:innen klar umrissen: Sie verfassten strukturierte Texte, erklärten komplexe Sachverhalte und lieferten am Ende des Entwicklungsprozesses ein fertiges Dokument. 

Heute hat sich dieses Bild deutlich gewandelt. Digitalisierung, vernetzte Produkte und Künstliche Intelligenz haben die Spielregeln verändert. Inhalte existieren nicht mehr nur in abgeschlossenen Dokumenten, sondern als Teil dynamischer Informationsräume, die sich flexibel an Kontexte, Zielgruppen und Systeme anpassen. KI-Chatbots können Texte in verschiedenen Sprachen und für verschiedene Zielgruppen formulieren und Routinearbeiten übernehmen. Tätigkeiten, die früher manuell erledigt wurden, können jetzt durch die zunehmende Nutzung von Schnittstellen und cloudbasierten Systemen automatisiert werden.

Treiber des Wandels 

Der Wandel in der Technischen Redaktion hat viele Ursachen: 

  • Digitalisierung sorgt dafür, dass Informationen nicht mehr statisch in Dokumenten, sondern dynamisch in Informationssystemen vorliegen.
  • Smarte und hochvariante Produkte erzeugen komplexe Informationsbedarfe, die flexibel und individuell abgedeckt werden müssen.
  • Nutzer:innen erwarten kontextsensitive, jederzeit verfügbare Unterstützung – egal ob im Handbuch, in der App oder im Kundenportal.
  • Gesetzliche Anforderungen machen präzise, nachvollziehbare und versionssichere Dokumentation unabdingbar.
  • Künstliche Intelligenz übernimmt Routineaufgaben, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten für Informationsaufbereitung. 

Technische Redakteur:innen entwickeln sich in diesem Umfeld zu Informationsmanager:innen und Informationsarchitekt:innen, die Inhalte systematisch strukturieren, Content-Systeme verwalten und vernetzen, Veröffentlichungen strategisch planen, rechtliche Anforderungen erfüllen und für konsistente Unternehmenskommunikation sorgen. 

Smarter Content als Schlüssel 

Smarter Content oder sind das Fundament dieser neuen Informationswelt. Sie machen Inhalte im Unternehmen und für Kunden auffindbar und systemübergreifend nutzbar. Smarter Content wird nicht in linearen Dokumenten erstellt, sondern basiert auf modularen Informationsarchitekturen. 

Modulare Inhalte, die mit Metadaten angereichert sind, können produktspezifisch zusammengestellt und kontextgerecht ausgeliefert werden – auf verschiedenen Kanälen wie Webportal, Chatbots und in klassischen Dokumenten. Durch die flexible Zusammenstellung von Informationen zu Informationsprodukten können unterschiedliche Anforderungen mit denselben Informationsbausteinen erfüllt werden – regulatorisch, produktspezifisch, sprachlich oder zielgruppenorientiert. So können aus denselben Informationsbausteinen sowohl eine klassische Betriebsanleitung als auch eine integrierte Hilfe in einer Software-App werden. 

Die Modellierung von Metadaten schlägt dabei die Brücke zwischen Mensch und Maschine. Metadaten ermöglichen sowohl im Content-Management als auch später in der Auslieferung, dass Informationsbausteine gefunden, verknüpft und kontextgerecht ausgespielt werden können. 

Dabei wird die Verbindung zwischen der Informationswelt der Technischen Redaktion mit Metadaten für Zielgruppen, Informationsarten und Dokumente und der Produktwelt mit Metadaten für Funktionen, Komponenten und Produktstrukturen immer wichtiger. Mit der zunehmenden Produktvarianz können Produktmetadaten nicht mehr getrennt in Redaktionssystemen verwaltet werden, sie müssen aus zuliefernden Systemen wie PIM, ERP oder PLM kommen. 

Unternehmenscontent (Enterprise content) statt nur Technische Dokumentation 

Genauso wie die Daten im Unternehmen ihre Silos verlassen und verknüpft werden, löst sich auch das Inseldasein der Technischen Dokumentation auf. Dokumentation ist ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskommunikation und allgemein des Contents, den ein Unternehmen nach außen und innen veröffentlicht. 

In Zeiten des Fachkräftemangels wird es immer wichtiger, Informationen nicht nur in statischen Dokumenten auszuliefern und die Anwender:innen in die Holschuld zu setzen, sich die richtigen Informationen zusammenzusuchen. Vielmehr muss Hilfe zur Selbsthilfe möglich werden: Informationen werden auf verschiedenen Kanälen als Selbstlerninhalte angeboten. So werden Produkte und Services des Unternehmens im Internet sichtbarer. Gleichzeitig sinken die direkten Interaktionen mit den Mitarbeitenden, z.B. über Support, Service und Vertrieb – bei gleichbleibender Interaktion mit dem Unternehmen, aber eben über digitale Kanäle. 

Daraus entstehen neue Kompetenzfelder für Technische Redakteur:innen: 

  • Daten- und Inhaltsmodellierung: Inhalte und Daten systematisch strukturieren
  • Produktwissen: Inhalte in den richtigen Kontext setzen und Produktstrukturen in der Dokumentation nutzbar machen
  • Prozesswissen: Unternehmensweite Content-Prozesse verstehen und gestalten
  • Systemintegration und Schnittstellenverständnis: Informationen über Systemgrenzen hinweg nutzbar machen
  • Automatisierung und Nutzung von KI: Manuelle Prozesse durch regelbasierte oder KI-gestützte Verfahren automatisieren
  • Wissensmanagement: Produktwissen über verschiedene Kanäle und Mittel an unterschiedliche Zielgruppen vermitteln 

Redaktion als Schnittstelle 

Die Technische Redaktion ist heute eine Schaltzentrale zwischen Entwicklung, IT, Marketing, Training und Nutzer:innen. Mehr denn je sind folgende Kompetenzen gefragt: 

  • Kommunikation auf Augenhöhe mit Entwicklung, Produktmanagement und Produktdatenmanagement
  • Verständnis für technische Datenstrukturen und Inhaltsmodellierung
  • systemisches Denken und Cross-Funktionalität 

Die Fähigkeit, modulare Informationsarchitekturen zu gestalten, ist längst kein "Nice to have" mehr – sie wird zum Wettbewerbsvorteil. 

Aufgaben in der Technischen Redaktion: früher und heute

KI im Redaktionsalltag 

Künstliche Intelligenz unterstützt, ersetzt aber nicht. Sie übernimmt Routineaufgaben wie Textvorschläge, Konsistenzprüfungen oder automatische Formatierungen.

Die Verantwortung für Inhalte, Qualität und Datenschutz bleibt beim Menschen. Eine Schlüsselkompetenz ist dabei das Prompt Engineering: Wer KI sinnvoll nutzen will, muss sie präzise anleiten. Technische Redakteur:innen bringen dafür Strukturverständnis und sprachliche Feinfühligkeit mit. Sie steuern KI-Prozesse durch präzise Prompts, prüfen Ergebnisse und sorgt für Qualität, Konsistenz und rechtliche Absicherung. 

Lesetipp: Whitepaper "KI in der Technischen Dokumentation" von Ulrike Parson – Überblick über Anwendungen, Chancen, Risiken und Rollenwandel. 

Neue Rollen in der Technischen Redaktion 

Mit der Transformation entstehen neue Rollen, die den Informationsfluss gestalten, Daten orchestrieren und KI effizient einsetzen: 

Informationsarchitekt:in 

Plant und strukturiert Inhalte modular und kontextsensitiv. Ziel ist eine skalierbare Architektur, die Wiederverwendbarkeit ermöglicht und ein konsistentes Nutzererlebnis sicherstellt. Zentrale Grundlage ist die semantische Modellierung: Inhalte werden systematisch mit Metadaten und Wissensstrukturen verknüpft – essenziell für klare Informationsflüsse und intelligente Nutzungsszenarien.

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Content-Engineer und Knowledge-Engineer 

Setzen die konzipierte Architektur praktisch um. Sie sorgen für die Modularisierung von Inhalten, deren Anreicherung mit Metadaten sowie die automatisierte, kanalübergreifende Ausspielung.

Der Content-Engineer fokussiert sich auf die strukturierte Aufbereitung und Wiederverwendung von Inhalten. Der Knowledge-Engineer bringt zusätzliches Know-how in Bereichen wie Datenintegration und -vernetzung mit.

Erst das Zusammenspiel beider Rollen ermöglicht fortgeschrittene Anwendungen wie Filterung, Personalisierung oder digitale Zwillinge. Gemeinsam realisieren sie nutzerzentrierte Lösungen auf Basis der

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Wissensmanager 

Konzentriert sich auf die Ausgestaltung von Prozessen rund um das Wissen im Unternehmen: Wie wird Wissen erfasst, verteilt und gepflegt – intern wie extern? Damit rückt ein Wissensmanager die organisatorische Dimension in den Fokus. Gerade im Zuge des wachsenden Bedarfs an Selbstlernangeboten erlebt Wissensmanagement ein Revival. Themen wie KI, Ontologien und digitale Zwillinge machen es zu einer verbindenden Disziplin zwischen Technischer Dokumentation, Produkt- und Unternehmenswissen.

Fazit und Ausblick 

Die Kernaufgabe der Technischen Redaktion – komplexes Wissen verständlich und nutzbar zu machen – bleibt bestehen. Doch Methoden, Tools und Rollen verändern sich. Neue Schwerpunkte sind: 

  • Informationsarchitektur und Metadatenmanagement
  • Systemarchitektur und Prozessverständnis
  • KI-Integration
  • Entwicklung tragfähiger Contentstrategien 

Wer heute in diese Kompetenzen investiert, gestaltet die Zukunft der Technischen Redaktion aktiv mit. So bleibt die Redaktion strategisch relevant, unverzichtbar und zukunftssicher – auch in einer automatisierten Welt.