Vom Geisteswissenschaftler zum Technischen Redakteur

von Fabian Klopfer am 24. Januar 2019

"Und, was willst du machen, wenn du fertig bist?" Welcher Student kennt diesen Satz nicht? Besonders Geisteswissenschaftlern fällt es oft schwer, auf die Frage eine zufriedenstellende Antwort zu finden. Der deutsche Arbeitsmarkt sucht schließlich Elektroingenieure oder Informatiker und keine Historiker mit Spezialisierung auf die Antike wie mich.

Geschichte hat zwar allgemein einen guten Ruf. Historiker gelten als beschlagene Denker, die die tiefen Strukturen unserer Vergangenheit durchblicken. Doch in der Praxis führt das neben anerkennendem Nicken immer wieder zu der oben gestellten Frage. Denn Wissen um die Feldzüge Alexander des Großen oder die Politik des römischen Senats im 1. Jahrhundert mag interessant sein, eine Arbeit findet man damit nicht.

Tatsächlich stellte ich bei der Jobsuche nach Ende des Studiums fest, dass sich niemand außerhalb der Seminarräume ernsthaft für unsere dort behandelten Inhalte interessiert. Mögen wir über die Jahre noch so engagiert die athenische Demokratie oder Augustus diskutiert haben, so habe ich trotz vielfältiger Mühen keine Stellenanzeige gefunden, die auch nur eine meiner fachlichen Kenntnisse zur Bedingung stellte.

Der Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler

Das war mir und zahlreichen anderen Geisteswissenschaftlern zwar unbewusst schon vorher klar, aber eine Kombination aus jugendlichem Übermut, einem gewissen moralischen Überlegenheitsgefühl gegenüber Kommilitonen, die "nur" für einen Beruf studieren und einem (un)gesunden Fatalismus bezüglich der Jobperspektive ließen uns diesen Umstand vergessen. Keimten entsprechende Befürchtungen auf, schoben wir sie bevorzugt in die doch gewiss noch weit entfernte Zukunft.

Doch, ach, eines Tages platzt jede Blase, umso schneller jene, die viele Geisteswissenschaftler hoffen lässt, nach dem Abschluss schon irgendwie/irgendwo/irgendwann Arbeit zu finden. Schließlich gilt der Arbeitsmarkt gerade für Akademiker als sehr vielversprechend (Stichwort: Vollbeschäftigung). Tatsächlich ist er das nur für Absolventen ganz bestimmter Fachbereiche, während andere Monate oder sogar Jahre auf Jobsuche sind, bevor sich etwas findet. Siehe auch: Der Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler.

Die Perspektive – Technischer Redakteur!

Das führt mich zu dem Beruf zurück, den ich bei parson ausübe: Technischer Redakteur.

"Technischer Redakteur? Du schreibst also für ein Wissenschaftsmagazin?", bekomme ich oft mit fragendem Unterton zu hören, wenn ich von meiner Arbeit erzähle. Viele verbinden auch gar nichts mit dem Begriff und sehen mich nur unsicher an. Tatsächlich wusste niemand aus meinem Verwandten- und Freundeskreis auf Anhieb, was hinter der Bezeichnung steckt. Als ich dann auszuführen begann, Handbücher und die interne Dokumentation für Unternehmen zu schreiben, erntete ich meist skeptische Blicke, die oft zu sagen schienen: "Typen wie du sind also für dieses Kauderwelsch verantwortlich, dessentwegen ich neulich meinen neuen Fernseher nicht zum Laufen gekriegt habe?"

Allgemein waren beim ersten Eindruck die wenigsten überzeugt davon, ich habe einen interessanten Beruf, der die langen Jahre an der Uni rechtfertigte.

Doch was soll ich sagen? Falscher könnte keiner von ihnen liegen!

Aufgaben eines Technischen Redakteurs

Als Technischer Redakteur (übrigens, die englische Bezeichnung Technical Writer oder Technical Communicator hört sich viel besser an) hat man einen ebenso abwechslungsreichen wie fordernden Beruf, zu dem sehr viel mehr gehört, als die Teile eines Fernsehers zu beschreiben und Sätze wie "Durch Drücken auf ‚Ein‘ schalten Sie den Fernseher an" zu Papier zu bringen. Über die Aufgaben eines Technischen Redakteurs wurde bereits hier geschrieben, darum nur in aller Kürze:

  • Benutzerhandbücher, Dokumentationen und Online-Hilfen schreiben
  • Analysieren und Dokumentieren komplexer Prozesse und Arbeitsabläufe in Firmen
  • Nutzung vielfältiger Formen der Informationsaufbereitung (XML, Wikis, …)
  • Einarbeitung in vielfältige (technische) Bereiche und die verständliche Darstellung von Produkten

Geisteswissenschaftler als Technische Redakteure

Doch inwiefern hilft das Geisteswissenschaftlern bei der Jobsuche im Bereich technische Redaktion?

Zu einem sehr großen Maß! Schließlich beherrschen wir zahlreiche Softskills, die laut einer tekom-Umfrage von 2017 Unternehmen - neben technischem Wissen - von Technischen Redakteuren fordern.

  • Kommunikationsfähigkeit
  • Schriftliches Ausdrucksvermögen
  • Planungsfähigkeit/strukturiertes Arbeiten
  • Genauigkeit
  • Konzentrationsfähigkeit

Das sind genau die Dinge, die Geisteswissenschaftler im Studium lernen: Informationen sammeln, aufbereiten und für andere verständlich darstellen. Der Unterschied besteht nur in der Art der Information. Anstatt um mittelalterliche Handschriften oder Franz Kafka geht es in der technischen Redaktion um die Beschreibung der Funktion einer Software für Gebäudetechnik oder der Umstrukturierung des Handbuchs einer Behörde.

Berufseinstieg für Geisteswissenschaftler in die technische Redaktion

Also technische Dokumentation als DIE Lösung für alle arbeitssuchenden Geisteswissenschaftler? So einfach ist es leider doch nicht. Erworbene Softskills helfen einem zwar weiter, aber ganz ohne fachliche Kenntnisse wird man kein Technischer Redakteur. Ein geeigneter Einstieg in den Beruf ist daher ein Volontariat, wie ich es gerade bei parson mache. Neben der Arbeit absolviere ich noch Kurse beim tecteam bzw. der tekom, sodass ich in zwei Jahren ein Abschlusszertifikat erhalte. Das ist eine Menge Arbeit für die nächste Zeit. Dafür sind die Jobaussichten hervorragend und das Gehalt verglichen mit anderen Branchen sehr gut.

Wer also wie ich einen geisteswissenschaftlichen Abschluss hat, aber keine Ahnung, was er damit anfangen soll, dem kann ich den Beruf des Technischen Redakteurs nur empfehlen. Wer über ein solides Grundwissen im Bereich Software verfügt, gut Englisch spricht, keine Angst vor technischen Fragen und Lust auf eine abwechslungsreiche Arbeit hat, sollte sich ernsthaft mit dieser Berufsaussicht auseinandersetzen.

Man muss sich nur trauen!

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